Le Menü

Wir befinden uns im Jahre 2020. Das ganze WordPress Admin-Menü ist von Core- und Drittanbieter-Inhalten besetzt, die für gut 90% aller Nutzer/-innen die meiste Zeit über irrelevant sind, aber dennoch mit jedem Page Load ihre Aufmerksamkeit fordern…
Das ganze Menü? Nein! Ein mit unbeugsamem Minimalismus zusammengehacktes Plugin hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten. Und das Leben im WordPress Admin ist spürbar angenehmer, wenn der eigene Fokus nicht mehr von einem Haufen selten bis gar nicht benutzter Menüpunkte strapaziert wird…

Kurzfassung

Als WordPress-Nutzer ging mir das Admin-Menü in seiner seit 2013 unveränderten Form schon länger punktuell auf den Senkel. Also habe ich eine Kleinigkeit vorbereitet, die mir persönlich besser gefällt.

In diesem Beitrag geht es um die Hintegründe der Idee; eine konkrete Vorstellung des Menüs folgt im nächsten Beitrag.

Schlankeres Admin-Menü und „Add-ons“-Seite mit ausgelagerten Einstellungen aktiver Drittanbieter-Plugins

Ein schlank(er)es Admin-Menü

Seit wenigstens vier Jahren laufe ich mit der fixen Idee herum, wp-admin seinen Schrecken zu nehmen. Wieso Schrecken? Naja, ich habe zwischen 2013 und 2018 fünf Jahre im Plugin-Support gearbeitet. Das beantwortet die Frage, oh ja. Was dir in den Backends von kommerzieller Support-Kundschaft so alles entgegen schreit, ist in vielerlei Hinsicht dokumentierenswert.

Aber auch als Betreiber eines recht übersichtlichen Blogs ohne allzu viele Drittanbieter-Plugins, fühlte ich mich vom Volumen und der Gestaltung des linken Achtels meines Backends zusehens gestört.

Wenn ich 90% meiner Admin-Zeit mit Posts verbringe, warum muss ich trotzdem ständig auf Media, Pages, Comments, Appearance, Plugins und Tools™ schauen und nach (für mich) relevanteren Links wie Site Health oder dem Customizer in irgendwelchen Submenüs graben?

Vielleicht werde ich mit 45 langsam alt, aber Aufmerksamkeit und Fokus sind auch altersunabhängig endliche Ressourcen; Relevanz – und vor allem: weniger Zeug insgesamt – vor die Augen gespielt zu bekommen, stellt ein zentrales Anliegen vernünfitger Usability dar.

Nun ist die Idee eines personalisierten Menüs, wie fast alle Ideen, nicht neu. Janis Elsts hatte sie vor 10 Jahren. Pascal vor fünf. Und Frank hatte sie, da war Janis noch mit Performance beschäftigt und Pascal noch in der Schule (wenngleich bereits Webentwickler, Pascal, du Tausendsassa).

Alles tolle Lösungen. Und alle natürlich überhaupt kein Grund, die gleiche Idee nicht noch einmal umzusetzen – anders halt.

Content-Gruppe mit Posts, Categories, Tags, Languages, Comments, Pages und Media

Feldforschung

Für mich begann alles mit der Entdeckung, dass für die kontextuelle Aufschlüsselung von Begriffen wie Beiträge, Medien, Kommentare, Seiten, Plugins, Werkzeuge, Jetpack oder Yoast bisher tatsächlich kein Enzym im menschlichen Stoffwechsel zu finden ist.
Klingt unwahrscheinlich, wird aber ganz schnell klar, wenn wir, in einem Feldversuch, zur WordPress Admin-Ebene ein paar mit WordPress noch nicht vertraute Menschen hinzugeben: Die beiden Stoffe mischen sich in der Regel träge bis gar nicht, reagieren aber spontan miteinander; diese Reaktion ist akkustisch messbar und lässt sich kategorisch in einer einzigen Silbe subsummieren: „Hä??“

Diesem mit meiner persönlichen (zwar amateurhaften) Auffassung von Design Thinking, sowie einer herzhaften Prise Anarchismus auf die Spur zu kommen, hatte ich mir während der letzten drei Jahre zur Aufgabe gemacht – ausgehend von der Hypothese, dass eine Reihe im Einzelnen vielleicht zu vernachlässigender Stresspunkte in ihrer Summe dennoch in einen Bereich hochskalieren können, der nicht nur für die tägliche Körperchemie der betroffenen Versuchspersonen, sondern auch für deren allgemeine Wahrnehmung von WordPress als User Interface gesundheitsschädlich wirken mag.

Was für ein Satzmonster. Lasst mich das nochmal versuchen:

  • Clutter (UX-Jargon für Durcheinander oder Überladung) verursacht Stress.
  • Menschliche Aufmerksamkeit und Fokus sind endliche Ressourcen.
  • In aller Regel sollte ein User Interface – und besonders ein so verbreitetes wie WordPress – mit diesen Ressourcen schonend umgehen und möglichst wenig Stress zu erzeugen.
  • Das Menü ist, zusammen mit der Toolbar, die mit Abstand am häufigsten wahrgenommen Kompente im ganzen Admin-Bereich – es wird auf jeder einzelnen Seite angezeigt, egal wohin ich navigiere.
  • Folglich ist das Admin-Menü der Ort in WordPress, in dem Clutter am schwersten ins Gewicht fällt und exponentiell zu Cognitive Load beiträgt.
  • Demzufolge sollte es, meiner Ansicht nach, auch der Ort sein, an dem die Stellschrauben für eine angenehmere User Experience die größte Wirkkraft entfalten können. (Und ja, Admin Notices gehören hier definitiv genannt, rechtfertigen aber mindestens einen eigenen Artikel.)
  • Ich meine: Relativ minimale Optimierungen im Admin-Menü sollten potenziell in der Lage sein, einen maximal positiven Effekt für die User Experience von WordPress als Ganzes zu erzeugen.
Design-Gruppe mit Customiser, Theme Editor und Plugin Editor

Expertinnen-Gutachten

Mit dieser These pilgerte ich ein paar Jahre lang über diverse WordCamps. 2017 in Bordeaux zeigte ich Frédérique Game meine Skizze eines (inhaltlich) neu gestalteten Menüs mit einer top-level Unterteilung in Dashboard, Content und Setup. Frédérique ist Designerin und hat sich als Beratering für Webstrategie, digitales Marketing und Kommunikation spezialisiert (wir kennen uns vom WordCamp Paris 2014), und sie hatte keinerlei Mühe, meine Überlegungen aus Sicht ihres Agenturgeschäfts zu validieren und Verbesserungsvorschläge zu meinen Skizzen beizusteuern.

Ebenfalls 2017, in Berlin, durfte ich Michaela Steidl eine gute Stunde lang zu derselben Skizze und Idee befragen. Michaela betreibt seit 2012 das WP Bistro, mit dem sie von Agentur- und Support-Leistungen über Online-Kurse bis zu einer Facebook-Gruppe mit über 1.500 Followern so ziemlich alles abdeckt, was WordPress-Nutzer/-innen für ihre eigene Webpräsenz brauchen. Auch Michaela bestätigte damals im Großen und Ganzen meine Vermutung einer latenten Überforderung durch die WordPress Admin-Gestaltung und befürwortete das Experiment einer top-level Unterteilung in Dashboard, Content und Setup.

Dies waren die ersten beiden aus einer Reihe von Adhoc-Interviews, mit denen ich diverse liebe Kolleginnen und Kollegen bis 2019 auf WordCamps heimgesucht habe, und ohne irgendeine der oben Genannten auf ihr damaliges Feedback festnageln zu wollen, möchte ich mich doch spät, aber von Herzen für die Zeit und den wertvollen Input bedanken.

Tools-Gruppe mit Site Health, Export Content, Export Personal Data und Erase Personal Data

Ist „einfach“ immer gut?

“Most things are intended to be easy to use, but aren’t. But some things are deliberately difficult to use – and ought to be.”

Donald Norman, The Design of Everyday Things

Ein WordPress-Beispiel für jene Klasse absichtlich schwierig zu benutzender Dinge, auf die sich Donald Norman in seinem Klassiker bezieht, ist in der Tat das Admin-Menü selbst – und zwar nicht seine Oberfläche, sondern seine API.

Hooks sind dünn gesät und erlauben nur sehr punktuelle, rigoros vordefinierte Anpassungen. Es gibt kein Äquivalent zu Custom Post Types für Menüelemente; top-level Link mit Icon + optional Submenü, oder ein Eintrag unter Settings – mehr ist nicht.

Und das ist auch gut so. Wäre es auch nur ein µ leichter, einzelne Drittanbieter-Menüpunkte dynamisch zu identifizieren und in der Priorität nach oben oder unten zu schieben, oder gar ganz eigene, neue Typen von Menüpunkten zu definieren – es gäbe ein Blutbad der Plugin Wars in dieser Menüleiste.

Settings-Gruppe mit General (Settings), Writing, Reading, Discussion, Media, Permalinks, Privacy, sowie Plugins, Users und Updates

Ich habe mich trotzdem ans Werk gemacht und meine Ideen von 2017 endlich umgesetzt. Gut Ding will ja Weile haben.

Ob es wirklich ein gutes Ding geworden ist? Das würde ich allzu gerne von euch hören, wenn ich mein Plugin im nächsten Beitrag genauer vorstelle!

P.S.: Wer schon jetzt mehr (d.h. Code) sehen möchte, mag sich gerne registrieren und ein GitHub-Handle ins Profil eintragen – Invite folgt!

11 comments

  1. Klasse Idee! Ich werde mir das Plugin nächste Woche mal ansehen. Und ja, bitte auch die Admin Notices mal berücksichtigen. Ich würde mir hier ja eine “etwas unaufdringlichere” Variante, wie etwa eine “Glock” wünschen. Natürlich stört es auch hier, wenn da immer eine Zahl zu sehen ist. Aber immerhin verbraucht das dann nicht so viel Platz.

    1. Für die Admin Notices gibt es ja jetzt ein Core Projekt, deswegen hatte ich die erstmal abgehakt. Aber dein Kommentar motiviert mich! 😄 Ich überlege mir mal was dazu, Thorsten (Frommen) hat mit Dobby ja schon Mal klasse vorgelegt.

      1. Cool, von dem Core-Projekt habe ich noch gar nichts mitbekommen! Die Lösung mit Dobby ist schon gut, aber wenn der Core das löst, wäre das natürlich perfekt.

  2. Ist das Ziel für alle relevanten Plugins fixed zu sammeln damit das Interface sauber bleibt?
    Das Admin-Interface ist ja von Hausaus nicht soooo schlimm. Das Problem sind ja eher die ganzen Plugins, die glauben so wichtig zu sein, dass die Haupt-Menü-Einträge brauchen oder ähnliche Maßnahmen.

    1. Darauf gehe ich im nächsten Beitrag detaillierter ein. 😉 Aber ja, eine der Optimierungen besteht darin, die Seiten von Drittanbieter-Plugins aus dem Menü zu entfernen und an einem dafür vorgesehenen Ort zu sammeln. Im Prototyp funktioniert das auch; trotzdem gehe ich davon aus, dass es bei über 45k Plugins alleine im Repo sicher bei einigen Bruch geben würde. Aber das ist ok für mich. Schlimm finde ich das Admin UI übrigens überhaupt nicht, da stimme ich dir völlig zu! Meine Kritik bezieht sich auf bestimmte Inhalte (wie gesagt, im nächsten Beitrag mehr). Im Vergleich schlägt sich WordPress, meines Erachtens, als CMS User Interface mit einem exorbitanten Grad von Erweiterbarkeit bewundernswert gut.

  3. Hi Caspar.

    Nicht neu, aber gegebenenfalls nachhaltig. Ich wäre sehr interessiert. Mich nervt es nicht wirklich, da ich betriebsblind bin und kaum noch mit echten Nutzern rede. Parallel strippen wir via Rolle soweit runter, dass die Sicht sehr viel kleiner ist als viele Einzelnutzer sie kennen.

    Als Hinweis, da du Adminimize als Ideengeber nennst. Das Plugin verändert das Backend nicht, es reduziert ausschließlich. Es lässt also auch keinen Umbau, Neustrukturierung, Umbenennung etc zu. Daher ist deine Idee um so mehr spannend und ggf. auch nachhaltig im Feature Plugin Mode.
    Ich erinnere mich an einen Beitrag eines Designers im letzten Jahr, der ähnlich bastelte und Mockups zeigte. Leider hat im Core das Ticket keine Priorität. Vielleicht hakst du hier mit einem Feature Plugin ein und bringst wieder Fahrt auf das Thema.

    1. Frank, mein Lieber, wie schön, dass du vorbei schaust! 🎉

      Das Thema Core ist für mich, ehrlich gesagt, durch. Hab’ einfach keinen Nerv für die ganze Politik, die da eine Rolle spielt. Nichts gegen Einzelne, aber im Ganzen gesehen.

      Da puzzle ich lieber vor mich hin und sehe zu, dass ich mit wertvollem Feedback wie deinem und dem Anderer hier etwas baue, was hoffentlich mal eine wirklich schöne Lösung wird – nicht unbedingt für alle, aber für die, für die’s passt halt.

      Und falls der Core sie irgendwann haben will, nehmen sie es sich sowieso, ob ich will, oder nicht. 😁

      Danke für deine Ergänzungen und den Zuspruch!

        1. Wow, wenn ich mir die Mockups in dem Ticket ansehe … eine Idee, deren Zeit gekommen ist, setzt sich in viele Köpfe gleichzeitig. 😄 Cooler Ansatz! Hoffe, es geht weiter damit.

  4. Lieber Caspar, seit einem halben Jahr stört mich die Flut an Menüeinträgen in der Adminleiste. Ich hatte hier und da schon mal meinen Frust losgelassen, aber als einfacher WP-Fan sind meine Kenntnisse richtiger Stellen begrenzt. So verlaufen meine Hinweise schnell im Sand.

    Ganz besonders ärgern mich tatsächlich die vielen Plugins, die sich da aufdringlich in den Fokus schieben, obwohl, einmal eingerichtet, man denen so gut wie nie mehr Aufmerksamkeit schenken muss.

    Tolle Idee und freu mich schon auf Deine Lösung.

    1. Klasse, Adrian, danke für deine Rückmeldung! Stimmt, einen vernünfitgen Feedback-Loop für Nutzer/-innen, die sich ansonsten nicht mit Core-Entwicklung beschäftigen, lässt WordPress in der Tat vermissen. Aber auch für Leute, die an sich die Kommunikation via Trac-Ticket nicht scheuen, braucht es meist einen wirklich langen Atem, um für eine gute Idee Gehör zu finden. Gleichzeitig finde ich es wichtig, sich daran zu erinnern, dass so ein Feedback-Loop bei Closed Source Software noch weniger selbstverständlich ist. Aber ich schwafele, das ist eine ganz andere Diskussion, die woanders hingehört… 😉

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